Ein Reisebericht über 2300 km "Macherschaften" in Europa und die MakerFaire Vienna
Auf in den Süden…
Seit 2016 gibt es das FabLab Chemnitz als gemeinnützigen Verein. Die ersten Jahre waren wir viel mit dem Aufbau und Herrichten unserer Räumlichkeiten beschäftigt – eben Infrastruktur schaffen. Auch Veranstaltungen, unsere Vernetzung im Stadtgebiet und das Gewinnen von Mitgliedern haben nicht viel Zeit gelassen, sich mit der Maker-Szene hinter dem Horizont zu beschäftigen.
Nach einem Jux mit Erkin von Wunderwuzzi auf der MakerFaire Chemnitz, die MakerFaire Vienna zu besuchen, dachten wir uns: “Klar, warum eigentlich nicht?”. Und schnell entstand daraus der Plan, dies mit Besuch und Kennenlernen weiterer Maker zu verbinden. Wenn wir schon auf Achse gehen, warum nicht auf dem Weg hin und zurück andere Macher treffen, sich vernetzen und Wissen austauschen? Um die Vereinskasse nicht zu strapazieren haben Daniel und ich (Mario) die privaten Sparschweine gekitzelt und das notwendige Kleingeld zusammenbekommen. Am 28.04. sind wir dann als zwei Sachsen auf zwei Achsen von Chemnitz zu unserer FabLab Tour 2019 gestartet, um einige andere europäische “Macherschaften” genauer zu erkunden.
RogLab (Ljubljana, Slovenien)
Nach einem Zwischenstopp in Passau erreichten wir am 29.04. Ljubljana, die Hauptstadt von Slovenien mit ca. 280.000 Einwohnern. Recht zielstrebig steuerten wir das RogLab auf dem Gelände der ehemaligen Fahrradfabrik Rog an – das dachten wir zumindest. Vom Abriss bedroht wird das Gelände seit dem Leerzug in bunter Art und Weise genutzt. So findet man einen großen Indoor-Skatepark, eine Kneipe, verschiedene Kreative mit ihren Ateliers, Platz für Bands und Parties sowie kaputte Fahrräder. Das Areal ist gekennzeichnet von Skulpturen und Grafitties und erinnert an manche verlassenen Orte in unseren heimischen Chemnitzer Gefilden. Hier spürt man den nagenden Zahn der Zeit, die Subkultur und einen tiefen Touch von Autonomie.
Als wir das Gelände betraten, dauerte es nicht lange und wir kamen ins Gespräch mit Steven. Geboren in Estland, ein paar Jahre in Deutschland lebend, dann durch die Welt gereist landete Steven mit seinem Zelt schliesslich im Rog, um zu übernachten. Er führte uns herum und zufällig trafen wir hier sogar den damaligen Bassisten der vor allem im osteuropäischen Raum bekannten Band Laibach – Zufälle gibt’s. Allerdings fehlte vom RogLab jede Spur und irrwitzigerweise konnte uns keiner weiterhelfen, wo wir es denn finden können. Gegen Abend gaben wir die Suche nach den verschwundenen Makern von Rog schließlich auf und begaben uns hungrig in Richtung Innenstadt. Was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten: Das RogLab befindet sich lediglich auf der anderen Seite des Geländes.
FabLab Ljubljana (Ljubljana, Slovenien)
Am folgenden Tag (30.04.) wollten wir das FabLab Ljubljana besuchen. Unser Navi schlug uns mehrere verschiedene Adressen vor, beginnend mit “Poligon Kreativni Center”. Danach hat es uns auch tapfer durch die innerstädtischen Straßen von Ljubljana kommandiert. Aber ein FabLab war nicht zu finden. Nach 45 Minuten gaben wir schließlich auf, denn so langsam drängte die Zeit, die lange Weiterreise nach Kroatien anzutreten.
Sowohl unsere Neugier auf zwei slovenische FabLabs als auch unsere Mägen waren also ziemlich ungesättigt, als wir Ljubljana verließen. Schade, aber wir kommen wieder und haben wir uns auch das FabLab Ljubljana für einen späteren Versuch vorgemerkt!
Immerhin haben wir dabei schon Wichtiges gelernt: viele Menschen wissen nicht, was ein MakerSpace oder ein FabLab ist, oder das es so etwas überhaupt in ihrer Umgebung gibt. Das Herumfragen auf der Straße war zwar erfolglos, aber trotzdem amüsant, lehr- und abwechslungsreich.
Am Wegesrand nach Kroatien…
Unser nächstes großes Ziel war Zagreb. Auf dem Weg dorthin haben wir die Höhlenburg Predjama und die Hafenstadt Piran besucht. Außerdem fuhren wir durch die kleinste Stadt der Welt. Genannt “Hum” bzw. “Colmo” liegt sie in der Region Istrien in Kroation und hat 28 Einwohner. Die Bewohner dort machen uns vor, wie es auch in kleinen Gemeinden super funktionieren kann: Gefühlt mitten im Nirgendwo gibt es ein Gasthaus, eine Pension, einen Shop, flächendeckend kostenfreies Wifi, vollen LTE-Empfang, Beleuchtung mit sparsamen LED-Birnen, kontaktlose Bezahlverfahren und kostenfreie Parkplätze. So manches davon vermisst man in unserer Region noch immer gänzlich. Unser Reisetag endete in Rijeka, einer kroatischen Hafenstadt, die ein wichtiger Umschlagplatz für den Binnenhandel ist.
FabLab Zagreb (Zagreb, Kroatien)
Nach langer Fahrt von Rijeka erreichten wir am 01.05. Zagreb, die Hauptstadt Kroatiens. Mit knapp einer Million Einwohnern ist es eines der größeren Stadtgebiete der Region. Bereits vorab im Kontakt mit Roberto Vdović vom FabLab Zagreb wußten wir, dass auch in Kroation der Tag der Arbeit als Feiertag gilt. Außerdem waren Roberto und sein Team schon zum Vulca Jahres-Meeting in Poznan (Polen) unterwegs.
Obwohl also niemand vor Ort gewesen wäre, haben wir uns trotzdem auf den Weg zur angegebenen Adresse des FabLab Zagreb gemacht. Schon allein um das Auffinden von FabLabs zu üben. Auch diesmal gab es … nun ja, irgendwie nichts. Immerhin gab es ja noch die Chance, die Maker vom FabLab Zagreb stattdessen direkt auf der MakerFaire Vienna zu treffen. Wie wir dort später von Roberto erfuhren, ist das FabLab Zagreb derzeit an der Fakultät für Architektur der Universität Zagreb angesiedelt.
KreatorLab (Maribor, Slovenien)
Nach Zagreb war unser nächstes Tagesziel eigentlich Bratislava. Da die Strecke etwas länger ist, entschlossen wir uns zu einem spontanen Halt in Maribor. Auch dort gibt es einen Stützpunkt für Macher. Leider waren wir dann doch etwas zu spontan am Platz und haben, wie fast schon erwartet, niemanden im KreatorLab angetroffen. Hinterlassen haben wir unseren Sticker und unsere Visitenkarte. Der MakerSpace in der Innenstadt war dieses mal leicht zu finden. Vielleicht hatten wir ja schon etwas mehr Übung oder er war einfach weithin sichtbar platziert. Gut gemacht, Leute! Und schade, dass es nicht geklappt hat. Sicher gibt es ein Treffen bei einer der nächsten FabLab Touren. Wir freuen uns jedenfalls schon darauf. Unser kleiner Spaziergang durch die Innenstadt von Maribor eröffnete uns immerhin einen Blick auf ungewöhnliche elektrische Püppchen mit Kabelstrand.
FabLab Graz (Graz, Österreich)
Der zweite – diesmal planmäßige – Stopp vor unserem Tagesziel Bratislava war die große Kulturstadt Graz. Dort haben wir das FabLab Graz ausfindig gemacht. Dieses ist Teil des an der Technischen Universität angesiedelten Instituts für Innovation und Industriemanagement. Wir hatten das große Glück, dass hier jeden Donnerstag für normale Besucher geöffnet ist. Somit durften wir hereinschnuppern und begutachten, was das Lab für seine Kreativen so zu bieten hat.
Das FabLab Graz wurde eigens als komplett neues drittes Stockwerk auf das bestehende Gebäude “aufgeflanscht”. Werkstattleiter Lukas Kreilinger führte uns herum und zeigte uns die verschiedenen Produktionsmethoden, die das FabLab dort ausmachen. So bestaunten wir beispielsweise einen BigRep 3D-Drucker, verschiedene DLP-Drucker, einen ziemlich großen Lasercutter, einen Kompakt-Wasserstrahlschneider, eine geräumige CNC-Fräsmaschine und viele weitere moderne Gerätschaften, die ein großes Spektrum für Rapid Prototyping abdecken. Das Lab zeichnet sich vorallem durch lichtdurchflutete und offene Bauweise aus, in der eine gute Ordnung und viel Sauberkeit herrscht. Es wird zudem Platz für Kaffeeplausch, Meetings und Co-Working geboten. Für unseren Geschmack ist das FabLab Graz etwas zu steril, aber sehr professionell.
MakerSpace Graz (Graz, Österreich)
Nach einem zweiten Anlauf hatten wir auch in der Puchstraße das Glück, am 03.05. jemanden im MakerSpace Graz anzutreffen. Der MakerSpace Graz befindet sich südlich von der Innenstadt und ist in einem sanierten Gebäudeteil im zweiten Obergeschoss auffindbar. Themen der Macher sind unter anderem Innovation im Bereich IoT. Hier haben wir uns lange und ausführlich mit Thomas Schwarzl unterhalten, der uns ein paar seiner Ideen erläuterte. Besonders toll finden wir die Idee des Blockchain Machine Renting Systems namens LEASIE. Weitere Details sind auch unter makerspace.at zu finden. Hier ist bereits vor ein paar Jahren ein ausgereiftes Konzept für ein Reservier- und Leihportal für Maschinen entstanden, welches ideal für offene Werkstätten ist.
Wir haben dabei schnell Lust bekommen, etwas zusammen in diese Richtung zu starten, denn auch das FabLab Chemnitz arbeitet seit längerem an der Inventarverwaltung, Maschinenabrechnung und den entsprechend zugehörigen Querthemen. An dieser Stelle ein herzlicher Dank für den sehr interessanter Erfahrungsaustausch, bestimmt ergibt sich ein Projekt zwischen unseren beiden offenen Werkstätten.
Im MakerSpace Graz fühlten wir uns sofort zu Hause: Hier herrscht ein Flair von Kreativität, Schöpfung und dem “Los geht’s. Wir machen!”.
FabLab Bratislava (Bratislava, Slowakei)
Am 04.05. kamen wir dann in Bratislava, der Hauptstadt der Slowakei an. Schnurstracks fuhren wir zum Campus der Technischen Universität, wo das FabLab Bratislava beheimatet ist. Zunächst war es wieder einmal schwer, die Werkstatt vor Ort zu finden. Denn wie sich herausstellte, wussten einige Mitarbeiter der Universität nicht, was ein FabLab ist, das es eines vor Ort gibt und wo auf es dem eigenen Gelände zu finden ist.
Nach einigem Herumfragen wussten wir schließlich immerhin das richtige Gebäude. Dort angekommen stellte sich jedoch heraus, dass das Betreten nicht ganz einfach, um nicht zu sagen … aehmm … schwer ist. Wir haben uns ehrlich bemüht den zwei Sicherheitsleuten am Eingang auf Englisch zu erklären, das wir das FabLab nur besuchen und nicht ausräumen möchten. Leider haben wir irgendwie die sächsisch-englische Sprachbarriere nicht wirklich überwinden können…
MakerFaire Vienna (Wien, Österreich)
Neuer Tag, neues Glück. Die MakerFaire Vienna findet in der sogenannten MetaStadt seit 2016 einmal jährlich statt. Hier trafen wir zum ersten Messetag am 04.05. zahlreiche geniale Macher und auch einige gute Bekannte aus unserer Heimat. Wir besuchten unter anderem Erkin von Wunderwuzzi, Garage Lab, Happy Lab, Clemens von Meyer Makes, Metalab, Roswitha von Circuit Accessories, OpenStreetMap, Georg und Companion von der Hand.Werk.Stadt, Arno und sein Team von Maker Austria, die Österreichische Gesellschaft für 3D-Druck und viele weitere. Außerdem hatten wir das Vergnügen, die verpassten Gelegenheiten von Zagreb und Bratislava nachzuholen, denn sowohl Roberto vom FabLab Zagreb, als auch das FabLab Bratislava waren in Wien vor Ort. Die Messe war prall gefüllt und frequent besucht. Neben vielen ebenso tollen wie intensiven Gesprächen lernten wir auch das Interreg-Projekt FabLabNet näher kennen. Ein Ziel ist unter anderem, europaweit offene Werkstätten mit Schulen und Unternehmen zu vernetzen. Dadurch sollen die Interessen der offenen Werkstätten gestärkt und einen reger Austausch möglich werden.
Der Tag neigte sich recht schnell dem Ende zu. Obwohl es in zu später Stunde in Strömen regnete, trafen wir uns im Anschluss nach der Messe mit den Wiener und Mödlinger Machern zum Get Together und zu einem gediegenen Pizza-Bier-Abend in einem italienischen Restaurant. Es gab viel Zeit, um sich über verschiedene FabLab-Aktivitäten zusammen mit Maker Austria und der OEG3D auszutauschen.
Erklären (das macht er echt wirklich gut!)
Hand.Werk.Stadt (Mödling, Österreich)
Am Folgetag ergab sich die Möglichkeit, die Hand.Werk.Stadt in Mödling zu besuchen. Mutig, wie die Hand.Werk.Städter sind, haben sie ihre Werkstatt direkt neben dem Finanzamt eröffnet. Mödling ist ca. 17 Kilometer vom Wiener Stadtzentrum entfernt. Der Standort bietet eine schöne Athmosphäre, sehr gut ausgebaute Werkstattbereiche und nicht zuletzt einfach gesellige Organisatoren, die sich für die Community ins Zeug legen. Die Hand.Werk.Stadt setzt auf unterschiedliche Technologien und hat ein vielseitiges Angebot. Unter anderem findet das Macherherz dort Vinylplotter, 3D-Drucker, CNC-Fräse, Holzwerkstatt und Elektronikbereich. Verschiedene Workshops und Angebote, auch zu Robotik, Radwerkstatt und Repairing gehören dazu.
FutLab (Prag, Tschechien)
Am 06.05. ging es dann für uns nach Hause. Mehr oder weniger direkt auf dem Rückweg nach Chemnitz liegt Prag. Deshalb hatten wir einen Besuch im FutLab.cc eingeplant. Wer im MakerSpace FutLab nicht fündig wird, macht irgend etwas verkehrt. Jana führte uns 2 Stunden durch die beiden Etagen, die dem Lab zu Verfügung stehen. Das FutLab hat eine geräumige Holzwerkstatt und baut gerade eine Metallwerkstatt auf. Außerdem setzt das FutLab auf Vielfältigkeit in aller erdenklicher Weise: Elektronik, 3D-Druck, Lasercutter, Hydroponic, Restauration, Nähmaschinen, Transferdruck, Vinylcutting, Stiftplotter und noch viel viel mehr. Toll finden wir außerdem, dass auch das FutLab sich mit dem Bierbrauen beschäftigt und ein Kursangebot für interessierte Bierfans plant. Wie wir nachträglich erfuhren, war auch das FutLab auf der MakerFaire Vienna zu Besuch.
Zurück in Chemnitz…
2300 Kilometer und 8 Tage sind wir gefahren, um europäische “Macherschaften” zu erkunden. Eine lange und stark verdichtete Tour. Diverse Vignetten pflasterten nun stolz unsere Windschutzscheibe. Aber selten lernt man so viele verschiedene Charaktere und Macher in so kurzer Zeit kennen. Wir haben viel gelernt, immense Eindrücke gesammelt und jede Menge Ideen mitgebracht. Während unserer Rundreise haben wir nebenbei bemerkt, dass wir zugleich in einigen offiziellen Kulturhauptstädten Europas waren. Prag war 2002 Kulturhauptstadt, Graz im Jahr 2003 und Maribor im Jahr 2012. Rijeka bewirbt sich für diesen Titel zum Jahr 2020. Und unser Chemnitz will und kann es 2025 werden!
Unser Fazit: So eine Tour lohnt sich! Deshalb planen wir auch, eine solche Runde zu wiederholen. Vielleicht haben wir nächstes Mal auch etwas mehr finanzielles Polster und zeitliche Kapazität, um diese Besuche zu intensivieren und noch mehr daraus entstehen zu lassen.
Wir haben außerdem gelernt, wie wichtig es ist, sich mit anderen offenen Werkstätten zu vernetzen. MakerFaires sind dafür noch besser geeignet, als wir vorher schon gedacht haben. Denn sie können äußerst international sein und die Reichweite der Maker-Bewegung aufzeigen. Und sie helfen auch, der Gesellschaft Verständnis um die Arbeitsweise und Wissen über offene Werkstätten zu vermitteln, sowie die vielfältigen Entfaltungsmöglichkeiten freier Technikkultur aufzuzeigen.
Während unseres Umherirrens stellten wir aber auch fest, dass die meisten offenen Werkstätten auf unserer Reise teilweise nur in ihrer Landessprache agieren, schwer zu finden und lokal oft wenig bekannt sind. Für uns weiterer Ansporn, die eigene Präsenz sichtbarer und zugänglicher zu machen, und uns auch international stärker zu vernetzen. Zum Beispiel demnächst auf der MakerFaire Hannover und durch unsere Bewerbung zur Teilnahme am FabLabNet.
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